Deutscher Drechslertag 2011 in Kevelaer

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Fachlicher Austausch, viel Neues dazulernen, über den Tellerrand hinaus blicken und natürlich auch das gesellige Beisammensein standen vom 30. Juni bis zum 03. Juli in Kevelaer im Vordergrund.

Ab 15:00 Uhr traf sich am Donnerstag die Vorstandschaft. Viel gab es zu besprechen. Erledigte Aufgaben wurden vorgestellt, neue Ideen mit neuen Herausforderungen diskutiert und dies entsprechend an die Mitarbeitenden weitergegeben. So dauerte die intensive Vorstandssitzung bis in den frühen Abend.

 

In dem nahe gelegenem Restaurant Weißes Kreuz begrüßten sich abends alle bereits Angereisten zu einer lockeren Stammtischrunde. Bei einem Glas Wein oder Bier und einem leckeren Abendessen wurde viel gelacht und dabei die Erfahrungen und Ereignisse des letzten Jahres rege ausgetauscht.

Am Freitag wurde es spannend:

Das Programm begann mit der Betriebsbesichtigung bei Firma Derix.

Derix stellt Glasfenster her, die von Künstlern aus ganz Deutschland in Auftrag gegeben werden. Jedes hergestellte Fenster wird in der Firma komplett aufgebaut, egal wie groß es ist und anschließen vom Künstler überprüft und abgenommen.

 

Der komplette Herstellungsablauf eines Kirchenfensters wurde gezeigt.

Die Entwürfe der Künstler werden 1:1 gezeichnet. Danach werden die farbigen Gläser nach dem Aufriss zugeschnitten, bleiverglast und verlötet.

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Besonders beeindruckend waren die unterschiedlichsten Entwürfe der Künstler sowie die verschiedensten Herstellungstechniken, die dort zum Einsatz kommen. Nur durch den überaus großen Erfahrungsschatz der Firma Derix lassen sich solche Aufträge bewältigen.

 

Rekonstruktionen und Restaurierungen gehören mit zu den anspruchsvollen Aufgaben. Später soll schließlich nicht mehr zu erkennen sein, welche Teile an einem beschädigten historischen Fenster ersetzt wurden.

 

Für die vielseitigen Entwürfe der Künstler werden die Buntgläser in den gewünschten Farben eigens von einer Firma aus dem Bayerischem Wald angefertigt.

 

In der benachbarten Kirche, Sankt Antonius konnten dann diverse Buntfenster und das neue Eingangsportal, vor kurzem von der Firma Derix hergestellt, in Augenschein genommen werden.

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Nach dem Mittagessen ging es zur Firma Seifert (Orgelbau).

Die Firma Seifert hatte bis zur Jahrhundertwende in Köln produziert. Da der damalige Bischof zur Auflage gemacht hatte, „wer den Auftrag für die große Orgel haben möchte, müsse seinen Firmensitz in Kevelaer haben“, siedelte die Firma Seifert von Köln nach Kevelaer um.
Zum Orgelbauhandwerk gehören Holzverarbeitung, Metallverarbeitung, Montagetalent und Sinn für Orgelmusik.

Wie funktioniert eigentlich eine Orgel? Wie kommt der Wind in die Pfeifen? Die „verschlungenen“ Windwege und die Mechanik einer Orgel wurden sehr anschaulich an einem Modell von Martin Schwer gezeigt. Die Hölzer, welche die Firma Seifert in großer Anzahl in jeder Orgel verbaut, hält sie in einem gut sortierten Holzlager vor. In der Hauptsache kommt Eiche zum Einsatz.

 

Die Zinnpfeifen dürfen nur mit Handschuhen berührt werden. Selbst leichter Schweiß würde Abdrücke hinterlassen, die nur mit Aufwand zu beseitigen sind.

 

Im Anschluss an die Firmenbesichtigung  trafen sich alle in der Marienbasilika. Elmar Lehnen, Basilikaorganist hielt einen kurzen, anschaulichen Vortrag über die Kirche und die große Basilikaorgel. Die große Seifert-Orgel, eine der größten Kirchenorgeln der Welt, besitzt heute 128 Register, verteilt auf vier Manuale. Ein Register entspricht in etwa einem Instrument eines Orchesters. Organisten, die in Kevelaer ein Konzert geben, benötigen ca. 3 Tage, um sich mit dem Instrument vertraut zu machen. 10000 Pfeifen versetzen den weiten und hohen neogotischen Kirchenraum „in Schwingung“. Die kleinste dieser Pfeifen ist 6 mm lang, hat einen Durchmesser von 3 Millimeter, die größte Pfeife hat einen Durchmesser von 50 Zentimeter und eine Länge von 10,4 Meter. Das Hauptwerk ist 10 Meter breit, 9 Meter tief und hat eine Höhe von 14 Metern. Zusätzlich zum Hauptwerk hat diese Orgel auch ein Fernwerk, d.h. im Querschiff der Kirche sind Pfeifenregister positioniert. Damit erreichte man schon zu damaliger Zeit einen Stereoeffekt. Die Register können so eingestellt werden, dass die Melodie kaum hörbar ist. Beim Zuschalten der Register wird das Instrument lauter. Diverse Flöten, Glöckchen und Glocken, Prinzipale und Zungenpfeifen sind zu hören. Beim Spielen aller Register, genannt Tutti, bebt das Kirchenschiff förmlich. Einfach nachhaltig beeindruckend, wie es beim anschließenden Orgelkonzert von Herrn Elmar Lehnen exklusiv für uns Drechsler zu hören war.

Die Orgel wird als Königin unter den Instrumenten bezeichnet - und wir Drechsler, so viel Selbstbewusstsein haben wir, sind die Orchideen unter den Blumen.

 

Am Samstag fand wie gewohnt der fachliche Teil statt.

Herr Andi Büschel hielt einen anschaulichen Fachvortrag über den „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ (KVP) in der HABA-Familie. Mit der Umsetzung dieses spannenden Themas kann die Firma richtig Geld sparen.

Eine Demonstration machte dies deutlich. Zwei Teilnehmer bekamen die Aufgabe ein Legohäuschen nach Vorgabe zu bauen. In einem Legokasten waren die Legosteine sortiert, in einem anderen Legokasten waren sie unsortiert und noch Bausteine dabei, die nicht benötigt wurden. Das Ergebnis war, dass der mit den unsortierten Steinen genau die doppelte Zeit für den Hausbau benötigte. Diese Erkenntnis auf die Ordnungssysteme in der Werkstatt angewandt, könnte auch in der Drechslerei Rüst- und Fertigungszeiten reduzieren und Kosten sparen lassen.

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Im Anschluss stellte die Firma MEWA aus Wiesbaden ihr Kleidungssystem vor. Wo der erste Eindruck zählt, sollten alle Mitarbeiter und der Chef ordentliche Kleidung tragen. Bei der Fa. MEWA können für Einmannbetriebe wie auch für Betriebe mit vielen Mitarbeitern Arbeitskleidungen gemietet werden. Diese werden von der Fa. MEWA gereinigt und repariert. Jedes Kleidungsstück kommt sicher wieder zum Mitarbeiter zurück, denn die Arbeitskleidung ist mit einem Barcode versehen. Sollte ein Kleidungsstück so beschädigt sein, dass ein Flicken nicht mehr lohnt, wird es kostenfrei ersetzt.

Für Innungsmitglieder, die dem Bundesverband angeschlossen sind, hat der Bundesverband einen Rabatt ausgehandelt.

 

Die Fa. AWUKO, Schleifmitteltechnik, vertreten durch Martin Hauthal, zeigte die Herstellverfahren der unterschiedlichen Schleifmittel.

Unsere Anregung, die Schleifmittelrückseiten so zu gestalten, dass auch bei kleinen Schnipseln die Körnung zu erkennen ist, hat der Referent jedenfalls mit nach Hause genommen. Schließlich hat auch er den Vortrag von Herrn Büschel, KVP zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess, gehört. Wir sind gespannt auf die Umsetzung.

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Bei der Jahreshauptversammlung gab es für einen Kollegen eine Überraschung:

Drechslermeister Neumann aus Lemgo wurde für besondere Verdienste in der Lehrlingsausbildung mit einer Ehrennadel und einer Urkunde geehrt. Seit 1996 hat er 20 Jugendliche zum Gesellen im Drechslerhandwerk ausgebildet.

Am Abend gab es in der Drechslerei Seehausen eine Betriebsbesichtigung. Wer da glaubt, Innungsveranstaltungen seien eine trockene und verstaubte Veranstaltung, der irrt. Der Abend fand einen lustigen Abschluss mit einer kleinen Weinprobe. Die Runde war richtig entspannt und fröhlich. Alles wurde unter Kollegen besprochen, persönliches wie Fachgespräche.

Ob es nun früh oder spät wurde, kommt auf die jeweilige Sichtweise an, jedenfalls war es ein gelungenes Wochenende.

 

Ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren Frank Seehausen und Klaus Reef.

Toll gemacht!

Bitte im kommenden Jahr unbedingt schon jetzt den Termin der nächsten Bundesinnungsversammlung vormerken. Feuerwehrfeste und Abi-Feiern sollten verschoben werden. An dieser Stelle laden wir auch herzlich die jüngeren Meister und jungen Gesellen ein, die herzlich in unserem Kreis aufgenommen werden.

 

Vom 14. bis 17.06.2012 findet die Bundesinnungsversammlung in Salzwedel statt.

 

Wolfgang Miller

 

[Bericht Kevelaer] als pdf --- Link zur [Bildergalerie]